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Kriterien einer MPU-Anordnung

Gesetzliche Rahmenbedingungen

Die Frage, ob Sie eine MPU benötigen oder nicht, lässt sich in den meisten Fällen mit guter Sicherheit beantworten. Denn der Gesetzgeber hat der Behörde, also der Führerscheinstelle, mit der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) einen Text an die Hand gegeben, der festlegt, wer sich wann einer MPU unterziehen muss. Zwar muss dieser Text – wie jede Gesetzesvorlage – interpretiert werden, was in Form gerichtlicher Beschlüsse geschieht, doch ist, wenn erst einmal Eignungszweifel begründet vorliegen, die Entscheidung der Behörde bindend, d.h. ein Ermessensspielraum besteht dann nicht.

Eignungszweifel

Tatsächlich haben wir mit dem Begriff „Eignungszweifel“ bereits ins Schwarze getroffen. Denn eine MPU kann nur angeordnet werden, wenn Tatsachen vorliegen, die Ihre Fahreignung in Frage stellen. Dies wären zum einen Sachverhalte, die eher dem medizinischen Bereich zuzuordnen sind, wie etwa körperliche oder seelische Krankheiten, aufgrund derer Sie nicht mehr autofahren können bzw. die eine Gefahr für den Straßenverkehr darstellen (z.B. Diabetes oder Schizophrenie) – auf diese Fälle wollen wir hier nicht weiter zu sprechen kommen. Dann wären es alle Formen körperlicher Abhängigkeit, sei es von Tabletten, Alkohol oder Drogen – die beiden letztgenannten Spielarten werden uns nachstehend noch interessieren. Weiterhin steht Ihre Eignung als Kraftfahrer bei Fahrten unter Alkohol und Drogen, ja sogar bereits bei dem Konsum sog. „schwerer“ Drogen in Frage. Und schließlich wollen wir Sachverhalte anführen, die auf Fehlverhalten beim Autofahren, charakterliche Mängel oder andere Persönlichkeitsmerkmale abheben. Wenn Sie insbesondere „erheblich oder wiederholt“ im Straßenverkehr aufgefallen sind, Aggressivität innerhalb oder außerhalb desselben an den Tag gelegt haben oder man ihnen sonstige gravierende Gesetzesverstöße nachweisen kann, müssen Sie mit einer MPU-Anordnung rechnen.

Ermessenspielraum und Kooperation

Meistens ist eine solche Anordnung bereits frühzeitig erkennbar, d.h. allein aufgrund der Kenntnis der Aktenlage entscheidbar. Wir werden nachstehend idealtypische Beispiele kennenlernen, an denen Sie sich orientieren können. Grundsätzlich entscheidet aber die Führerscheinstelle, genauer: Ihr Sachbearbeiter, ob eine MPU erforderlich ist oder nicht. Dabei sind ihm zwar – ich sagte es bereits – in der Regel die Hände gebunden, d.h. er muss die Vorschriften umsetzen und gegebenenfalls eine MPU anordnen. Doch gestattet eine Minderheit von Konstellationen einen gewissen Ermessensspielraum, den auch Sie nutzen können. Falls Sie unter diese Rubik fallen, können Sie durch Kooperation bzw. die Vorlage entlastender Befunde Ihre Situation verbessern. Es empfiehlt sich daher, dass Sie Kontakt mit einem Verkehrspsychologen aufnehmen, der im Grenzfall für Sie bei der Fahrerlaubnisbehörde vorsprechen kann. Gönnen Sie sich zu diesem Zweck frühzeitig eine Sprechstunde und klären Sie Ihren Fall mit mir oder einem Kollegen ab. Auch einen Anwalt können Sie ergänzend zu Rate ziehen. Wir alle helfen Ihnen, die richtige Strategie im Umgang mit der Führerscheinstelle zu finden oder eben frühzeitig jene Befunde zu sichern, die Ihnen vielseitig zugute kommen, zum Beispiel wertvolle Zeit gewinnen können.

Am einfachsten ist es, wenn ich mit Ihnen die Hauptanlassgruppen durchgehe. Auf den Seiten zur MPU Vorbereitung (Alkohol, Punkte, Drogen, Strafrecht) finden Sie weitere Informationen. Nehmen Sie sich ruhig Zeit, auch jene Seiten, die für Sie relevant sind, zu studieren.

Alkohol

1. Alkoholabhängigkeit

Beginnen wir mit der Alkoholabhängigkeit, d.h. der körperlichen Suchterkrankung. Hier wird die Führerscheinstelle ein fachärztliches Gutachten anfordern, welches für sich alleine genügen kann, die Fahreignung wieder herzustellen. Denn damit es positiv ausfällt, müssen bestimmte Bedingungen wie eine erfolgreiche Entwöhnungsbehandlung und daran anschließend eine einjährige Alkoholabstinenz vorliegen. Nur, wenn das fachärztliche Gutachten keine klare Prognose stellt, wird eine zusätzliche psychologische Untersuchung verlangt. Ein MPU freilich wird dann gegenwärtig nicht mehr anberaumt, wobei ich nicht verhehlen möchte, dass sich dies in einer künftigen Gesetzesnovelle ändern kann.

2. Trunkenheitsfahrt(en)

Im Falle einer oder mehrerer Trunkenheitsfahrten ist die Situation zunächst scheinbar erfreulich übersichtlich, denn die Fahrerlaubnisverordnung hat im notorischen §13 klar festgelegt, wer sich einer MPU unterziehen muss und wer nicht. Als Ersttäter, d.h. bei einer aktenkundigen Alkoholfahrt wird eine MPU sicher angeordnet, wenn die Blutprobe mindestens 1,6 o/oo ergibt. (Analog wäre eine Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l ausreichend). Die Behörde hat hier keinen Ermessensspielraum. Sie muss eine MPU anordnen. Auch in der Frage wiederholter Alkoholfahrten ist in der Praxis der Fahrerlaubnisbehörden inzwischen dahingehend Sicherheit eingetreten, dass zwei Alkoholfahrten innerhalb des entsprechenden Tilgungszeitraums (10 Jahre bei einer Straftat von wenigstens 1.1 o/oo, 5 Jahre im Falle einer Ordnungswidrigkeit zwischen 0.5 o/oo und 1.1 o/oo) genügen, um Ihnen das zweifelhafte Vergnügen der MPU zu bescheren.

3. Alkoholmissbrauch

In den letzten Jahren hat sich peu à peu eine ganz neue Variante in die Praxis der Fahrerlaubnisbehörden eingeschlichen, die nunmehr durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (s.unten) endgültig entschieden ist.

Denn der Gesetzgeber hatte in der Formulierung der Fahrerlaubnisverordnung eine Unbestimmtheit belassen, die mit Blick auf die MPU-Anordnung von peinlichem Belang war. Er ging davon aus, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten auch dann beizubringen sei, wenn „Anzeichen für Alkoholmissbrauch vorliegen oder sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen“ und „sonst zu klären ist, ob Alkoholmissbrauch nicht mehr besteht.“ (§ 13 FeV). Nun bot zwar dieser Passus durchaus noch strittigen Auslegungsspielraum, doch waren einige Behörden dazu übergegangen, die einst sakrosankte Grenze von 1,6 o/oo für den Ersttäter aufzuweichen und bereits den Bereich von 1,3 o/oo bis 1,6 o/oo für die MPU zu öffnen.

Hierbei zog man ergänzende Akteninformationen zu Rate, wie etwa die Tatzeit sowie belastende Daten im Blutabnahmeprotokoll. War beispielsweise der fragliche Promillewert nicht in der Nacht erreicht, sondern Frühmorgens oder gar tagsüber, oder zeigte der betroffene Verkehrssünder bei der Blutabnahme keine Ausfallerscheinungen, dann mochte die Behörde darauf schließen, dass ungeachtet des etwas niedrigeren Promillewertes ein erhebliches Alkoholproblem vorliegt. In einem solchen Fall riskierte sie es dann, auch unter 1,6 o/oo eine MPU anzuordnen.

Der Sachverhalt landete nach Klagen Betroffener vor Gericht und führte zu einem Hin und Her der Entscheidungen, einmal zugunsten, dann wiederum zu Ungunsten der Kläger, bis schließlich das Bundesverwaltungsgericht in einem Grundsatzurteil März 2021 (3 C 3/20) sich für die strengere Rechtsauslegung entschied: es legte fest, dass bereits bei einem Blutalkoholwert ab 1.1 o/oo selbst für den Erstfall eine MPU anzuordnen war, wenn keine Ausfallerscheinungen bei der Blutabnahme festgestellt werden konnten. Dies lag darin begründet, dass die im Gesetz genannte "Zusatztatsache" erfüllt war, die es rechtfertigte, von einem Alkoholmissbrauch bzw. einer überdurchschnittlichen Alkoholgewöhnung auszugehen.

Doch lesen Sie selbst die zusammenfassende Formulierung des höchsten deutschen Gerichts: "Zur Klärung von Zweifeln an der Fahreignung ist ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, wenn der Betroffene bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug zwar eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von weniger als 1,6 Promille aufwies, bei ihm aber trotz einer BAK von 1,1 Promille oder mehr keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen festgestellt wurden. Bei solchen Anhaltspunkten für eine überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung und eine damit einhergehende erhöhte Wiederholungsgefahr begründen sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch".

Hierbei spielt nun keine Rolle, dass Ärzte bei der Blutabnahme das entsprechende Untersuchungsprotokoll nach Augenschein ausfüllen und in Einzelfällen vielleicht zu wenig berücksichtigen, dass die Betroffenen im Schockzustand und Bemühen, möglichst nüchtern zu wirken, insbesondere bei Promillewerten am unteren Bemessensrand zu beachtlicher "kompensatorischer Verhaltenskompetenz" in der Lage sind = unauffällig erscheinen.

Nicht ganz abwegig tritt uns daher der Rat des Leiters einer Führscheinstelle entgegen, der in eine Alkoholprobe verwickelte Kraftfahrer solle sich bei der Blutabnahme so betrunken wie möglich stellen, um Schlimmeres, mithin eine MPU zu vermeiden. Wir wollen uns freilich darauf verständigen, dass – falls Abstinenz nicht gewählt wird – ein vernünftiger Umgang mit Alkohol und die zuverlässige Trennung von Trinken und Fahren eine Alkoholfahrt ausschließen können bzw. das Dilemma der Ausfallerscheinungen hier gar nicht erst auftritt.

4. Ihre Optionen

Wie sollten Sie sich daher verhalten? Für Sie kann die Frage, ob eine MPU erforderlich ist oder nicht, von entscheidender, vielleicht sogar existenzbedrohender Bedeutung sein, denn für den Fall einer solchen Anordnung ist es im allgemeinen erforderlich, Abstinenzzeiten (von einem halben oder gar einem Jahr) nachzuweisen, was darauf hinausläuft, dass Sie eine MPU nur bestehen und fahren können, wenn Sie diese medizinischen Belege haben. Dies mag für Sie von Bedeutung sein unabhängig davon, ob Sie Inhaber sind oder nicht. Als Inhaber droht ihnen bei einer MPU-Anordnung, wenn Sie diese Belege nicht beibringen, der Entzug der Fahrerlaubnis. Und als Bewerber müssen Sie damit rechnen, dass sich der Zeitraum der Wiedererteilung verlängert. Beides kann Ihren Arbeitsplatz gefährden.

Aus diesem Grund ist es entscheidend, dass Sie so früh wie möglich nach einer Alkoholfahrt einen Verkehrspsychologen aufsuchen. Er kann gemeinsam mit Ihnen in einer Sprechstunde Ihre Situation analysieren. Er kann dann für Sie eine unverbindliche Anfrage bei der Führerscheinstelle durchführen und erste Erkundigungen einholen, ob im vorliegenden Falle unter der Voraussetzung, dass keine weiteren erschwerenden Momenten hinzukommen, eine MPU nötig ist oder nicht. Die Führerscheinstelle wird zwar eine verbindliche Auskunft erst erteilen, wenn sie alle Unterlagen parat hat, d.h. wenn sie nach Ihrer Antragstellung ein Führungszeugnis und einen Punktauszug eingeholt hat, doch lässt sich bereits frühzeitig ermitteln, mit welcher Entscheidung der Klient rechnen muss.

Sollte eine MPU-Anordnung erforderlich sein, dann kann der Klient die verfügbare Zeit (d.h. die Sperrfrist) nutzen, um sogleich die medizinischen Abstinenzbelege zu sammeln, damit dann in der MPU optimale Erfolgschancen bestehen. Auch kann er der Fahrerlaubnisbehörde mit diesen Befunden oder einer verkehrpsychologischen Beratung zeigen, dass positive Veränderungen bereits eingetreten sind und eine hohe Rehabilitationsmotivation vorhanden ist. Vor allem aber stellt er in dieser Phase erfolgreich erprobter Maßnahmen per se keine Gefahr mehr für den Straßenverkehr dar, was insbesondere bei Inhabern in der oft heiklen Frage der Fristverlängerung neue Ermessenspielräume eröffnet (s. unten).

Wenden wir uns noch einmal der oben erwähnten, neuen Rechtslage zu, die bereits im Erstfall bei fehlenden Ausfallerscheinungen unter 1,6 o/oo eine MPU vorsieht. Wir erkennen, dass es sich durchaus lohnen kann, die vorhandenen Dokumente im Kontext einer Akteneinsicht sorgfältig zu studieren, um vielleicht doch Widersprüche insbesondere im ärztlichen Protokoll der Blutabnahme aufzudecken und zum eigenen Vorteil zu verwenden. Denn das Bundesverwaltungsgericht sprach ja von "keinen Ausfallerscheinungen", was man durchaus so deuten mag, dass der Arzt im ärztlichen Untersuchungsbefund, wo es etwa um Bewusstsein, Sprache, Stimmung und mögliche Verhaltensauffälligkeiten geht und nicht nur um eine allgemeine Einschätzung des Beeinträchtigungsgrads, durchwegs die unauffällige Alternative angekreuzt haben sollte. Andernfalls läge wenigstens in mindestens einem Teilbereich eine Beeinträchtigung vor, die vielleicht die Anwendung der strengen Richtlinie, mithin in die Anordnung einer MPU, ausschließt.

5. Ordnungswidrigkeiten, Abstinenz und Fristsetzung

Lassen Sie mich noch einen Augenblick verdeutlichen, wie entscheidend Ihr frühzeitiges Handeln ist und wie wichtig es sein kann, sofort mit den Abstinenzbelegen zu beginnen. Nehmen wir hierzu den Fall zweier Ordnungswidrigkeiten. Wie Sie sicherlich wissen, wird nur bei einer Alkoholfahrt von über 1,1 Promille der Führerschein sofort entzogen. Bei Ordnungswidrigkeiten hingegen kommt es im allgemeinen nicht zu einer solchen Entziehung. Der Betreffende erhält vielmehr nach einem Fahrverbot von einem oder im Wiederholungsfall von drei Monaten die Fahrerlaubnis wieder. Meistens betrachtet er das Ärgernis dann als erledigt an und wird vom Brief der Führerscheinstelle, der nun ganz unverhofft auf einer MPU besteht, peinlich überrascht. Denn nach einem gewissen, amtsüblichen Bearbeitungszeitraum des Gerichts landet der Fall schließlich doch bei Ihrem Sachbearbeiter und dieser ordnet, nachdem doch alles schon überstanden scheint, nachträglich eine MPU an. Auf meiner Webseite zu den Medizinischen Abstinenzbelegen können Sie nachlesen, dass in einem leichten Fall sechs Monate, in einem schweren Fall ein Jahr Alkoholabstinenz nachzuweisen sind. Die Führerscheinstelle freilich wird, wenn Sie Inhaber sind, Ihnen eine Frist von drei Monaten für die Vorlage des medizinisch-psychologischen Gutachtens setzen. Ein ausreichender Abstinenzbeleg ist dann nicht mehr möglich und es droht ein negatives Gutachten.

6. Fakultatives Widerspruchsverfahren

Hier nun greift Ihr frühzeitiges Handeln, denn jetzt darf ich Ihnen einen weiteren, wichtigen juristischen Tipp verraten. Wenn Sie die oben bereits angeregten Rehabilitationsschritte unternommen haben, d.h. sofort nach der Alkoholfahrt einen Verkehrspychologen aufgesucht haben; – wenn Sie sogleich das richtige Abstinenzprogramm belegt haben – und lassen Sie uns davon ausgehen, dass im milderen Falle der Ordnungswidrigkeit sechs Monate genügen; – wenn Sie sich zudem mit einer verkehrspsychologischen Beratung gut auf die MPU vorbereitet haben und eine Bescheinigung vorlegen können, kurz: wenn Sie belegen können, dass Sie kooperieren und optimal an sich gearbeitet haben; – und wenn zuletzt zwischen dem Vorfall und dem Brief der Führerscheinstelle bereits einige Zeit vergangen ist, dann besteht Aussicht, dass sich alles zum Guten wendet.

Denn zum einen haben Sachbearbeiter der Führerscheinstelle, wenn positive Veränderungen offenkundig sind und der Halbjahreszeitraum in Sicht, einer gewissen Verlängerung der Frist zur Abgabe des Gutachtens stillschweigend zugestimmt, d.h. den Entziehungsbescheid temporär ausgesetzt. Zum anderen kann im Rahmen des „fakultativen Widerspruchsverfahrens“ nach Absprache mit der Führerscheinstelle weitere wertvolle Zeit gewonnen werden. Es mag dann zwar sein, dass Sie vorübergehend die Fahrerlaubnis abgeben müssen, doch würden Sie diese sofort nach einem positiven Gutachten zurückerhalten. Ein bereits rechtmäßiger Entzugsbescheid würde dann widerrufen, d.h. irrelevant. Gegenwärtig ist unklar, wie lange diese juristische Option noch besteht, denn es gibt Bestrebungen, sie abzuschaffen. Ein erfahrener Anwalt kann aber gemeinsam mit der Führerscheinstelle die für Sie optimale Strategie erarbeiten. Alles hängt also, wie Sie sehen, davon ab, dass Sie im Falle einer Alkoholfahrt nicht warten, sondern frühzeitig Informationen einholen und einen Verkehrspsychologen aufsuchen.

Drogen

Im Drogenfall scheint die Frage, wann eine MPU angeordnet wird und wann nicht, recht eindeutig bestimmt, doch sind natürlich auch hier Grenzfälle nicht auszuschließen. Denn die Aktenlage, welche Polizeiberichte, Zeugenaussagen oder Ihre Aussagen mit einbezieht, kann widersprüchlich sein. Hier muss dann der Sachbearbeiter der Führerscheinstelle nach sorgfältigem Studium der Unterlagen entscheiden, ob er eine MPU anordnet oder nicht.

1. Konsumnotwendigkeit

Allgemein lässt sich sagen, dass eine MPU nur angeordnet wird, wenn Ihnen ein Drogenkonsum aktenkundig nachgewiesen wird. Der reine Besitz genügt in keinem Fall zur MPU-Anordnung und zwar unabhängig davon, welcher Art er ist. Ob dies sinnvoll ist oder nicht, muss uns im Augenblick nicht interessieren, d.h. wir wollen der Frage nicht weiter nachgehen, ob es vernünftig ist, einen Drogendealer zu schonen, der mit einer größeren Menge von Heroin aufgegriffen wird, Selbiges aber nicht konsumiert haben will, einen Haschischkonsumenten, dem Konsum nachgewiesen wird, hingegen zur MPU zu schicken. Für den Gesetzgeber und die Behörde stellt sich die Sache so dar, dass nur im Falle von Konsum, wenn also berauschende Substanzen in Ihren Körper gelangen, eine Gefährdung für den Straßenverkehr gegeben ist, was also bedeutet, dass eben dieser Konsum das entscheidende Kriterium für eine MPU-Anordnung ist.

2. „Harte“ versus „weiche „Drogen

Freilich gibt es noch Abstufungen. Im Falle aller Drogen außer Cannabis genügt der Konsum selber, um Ihre Fahreignung zu verneinen und eine MPU anzuordnen. Rechnen Sie also nicht nur bei Kokain, Heroin, Speed oder anderen Amphetaminen damit, dass eine MPU selbst im einmaligen Konsumfall erforderlich ist. Auch die nachgewiesene Einnahme der recht weit verbreiteten „Partydroge“ Ecstasy genügt. Zwar lässt sich sagen, dass die Diskussion über Drogen, ihre Auswirkungen und ihre gesetzliche Behandlung in beständigem Gang ist und Änderungen in der Gesetzgebung in die eine oder andere Richtung immer möglich sind, was nahelegt, dass Sie sich durch Aufsuchen eines Verkehrspsychologen oder Anwalts über den aktuellen Stand informieren, doch ist gegenwärtig mit Blick auf alle Drogen jenseits von Cannabis nicht nur im geliebten Bundesland Bayern kein Spielraum erkennbar.

3. Cannabis (Haschisch, Marihuana)

Kompliziert und noch immer nicht befriedigend gelöst ist freilich die Sachlage bei Haschisch bzw. Marihuana. Der Gesetzgeber hat sich hier mehrfach von der Wissenschaft beraten lassen und in den letzten Jahren unterschiedliche Regelungen gefunden, die von Bundesland zu Bundesland differierten. Erst in jüngerer Vergangenheit ist es zu einer einheitlichen juristischen Sichtweise gekommen, die gleichwohl eine abweichende Herangehensweise der Behörden nicht ausschloss. Die Verhältnisse sind so komplex, dass wir Ihnen eine eigene Webseite (Cannabis und Fahreignung) gewidmet haben. Hier wollen wir uns mit dem Vorgehen bei sog. harten Drogen beschäftigen, d.h. allen illegalen Substanzmitteln außer Cannabis.

4. Harte Drogen

Wie ich Ihnen oben bereits sagte, genügt der einmalige Konsum sog. „harter Drogen“, d.h. aller illegaler Betäubungsmittel außer Cannabis, um Ihre Fahreignung zu verneinen. Ein Bezug zum Straßenverkehr muss dabei nicht gegeben sein, d.h. Sie müssen nicht unter Drogeneinfluss gefahren sein. Die Führerscheinstelle wird Ihnen nach einer Anhörung, in der Sie aber nicht Substanzielles vortragen können, sofort die Fahrerlaubnis entziehen, sodann von Ihnen den Nachweis einer einjährigen Drogenabstinenz einfordern und schließlich eine MPU anordnen.

Ihre einzige Chance besteht hier darin, den Fall vielleicht unter Mithilfe eines findigen Anwaltes eine Zeitlang hinauszuzögern oder die Führerscheinstelle zu bitten, Sie als Inhaber zu einem Kontrollprogramm verpflichten, dessen Einhaltung die Führerscheinstelle überwacht und nach dessen Ende Sie dann mit ausreichender, will sagen: einjährige Abstinenz sich der MPU stellen können.

Die Aussicht, dass die Behörde sich auf diesen Deal einlässt, muss man aber fairerweise als sehr gering einstufen, da die Rechtslage bei harten Drogen eindeutig ist und Ihre persönlichen, z.B. beruflich-existentiellen Belange hinter dem Schutzbedürfnis der Allgemeinheit im Straßenverkehr zurückstehen müssen.

Aus der Gerichtsbarkeit darf ich Ihnen einen einschlägigen Passus, es wäre nur einer von vielen, des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs 2019 (11 CS 19.669) zitieren:

„Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig harte Drogen, wie hier Kokain oder Crack … im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder wenn der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat … . Eines Nachweises, dass der Betäubungsmittelkonsum zur Fahruntüchtigkeit geführt hat, bedarf es folglich nicht.“

5. Verkehrspsychologe und Anwalt

Ähnlich wie im Cannabisfall würde ich Ihnen aber auch hier empfehlen, sich frühzeitig beraten zu lassen, d.h. einen Verkehrspsychologen oder Anwalt aufzusuchen. Denn beide können nach Rücksprache mit der Führerscheinstelle die gerade aktuelle Gesetzeslage eruieren und der Anwalt kann sich auf die Suche nach Gerichtsentscheidungen machen, die in Ihrem Fall womöglich greifen.

6. Ihr Sachbearbeiter

Grundsätzlich ist freilich auch die Behörde bestrebt, Ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Sie kann Ihnen selbst dann, wenn Sie einen Anwalt nicht bezahlen können, mitteilen, welcher juristische Sachstand im Augenblick gilt. Nehmen Sie einfach Kontakt mit Ihrem Sachbearbeiter auf und besprechen Sie mit ihm die Angelegenheit. Er ist Ihnen gegenüber zur Auskunft verpflichtet und kann Ihnen zuverlässig sagen, wie Ihr Fall sich behördlich darstellt. Er kann Ihnen auch einen Rat geben, wie Sie sich am besten zu verhalten haben.

Da Bürger, die aufgrund eines Drogendelikts aufgegriffen werden, zumeist noch Inhaber der Fahrerlaubnis sind, gilt auch hier das oben unter der Rubrik Alkohol Gesagte. Je früher Sie Kontakt zu einem Verkehrspsychologen aufnehmen, je früher Sie Abstinenzbelege sammeln und je mehr Belege Ihrer Veränderung Sie vorweisen können, desto besser. Lassen Sie daher im Drogenfall keine Zeit verstreichen. Reagieren Sie sofort, damit Sie den Schaden, den der Vorfall hervorgerufen hat, minimieren können.

Punkte

1. Stufenmodell und 8 Punkte

Nach all dem bisher Gesagten werden Sie nicht überrascht sein zu erfahren, dass auch im Punktesektor neben eindeutigen Konstellationen Grenzfälle möglich sind. Rein formal betrachtet müssen Sie zur MPU, wenn Sie „erheblich oder wiederholt“ im Straßenverkehr aufgefallen sind. Damit nun aber aus dieser Bezeichnung keine Willkür entsteht, hat der Gesetzgeber seit 1. Mai 2014 das Fahreignungs-Bewertungssystem eingeführt, welches besagt, dass ab 8 Punkten die Fahrerlaubnis entzogen wird und eine MPU unvermeidbar ist. Dies bedeutet, dass Sie bis zu 7 Punkten zwar verschiedene Maßnahmen durchlaufen, nämlich zunächst "ermahnt" und dann "verwarnt" werden, auch können Sie bei bis zu 5 Punkten durch ein Fahreignungsseminar (FES) einen Punkt abbauen und zuletzt gibt es Rückstufungsregelungen, die greifen, wenn die Fahrerlaubnisbehörde nicht schnell genug reagiert. Doch unterbleibt im allgemeinen eine MPU-Anordnung. Nähere Informationen zum Stufenmodell finden Sie auf der Webseite "Punkteabbau in Flensburg".

2. Ausnahmen

Welches sind nun die Ausnahmen von dieser Regelung, die oben bezeichneten „Grenzfälle“, d.h. wann wird unabhängig vom Punktsystem eine MPU angeordnet? Erforderlich ist im Bereich von Ordnungswidrigkeiten, dass die besonderen Umstände des Einzelfalls eine deutlich erhöhte Gefährdung nahelegen, d.h. gravierendes Fehlverhalten mit Ausnahmecharakter vorliegt. Denkbar wären hier nach der geltenden Rechtsprechung wiederholte, extreme Geschwindigkeitsüberschreitungen, sodann wiederholte drastisch verkehrsgefährdende Nichteinhaltungen von Sicherheitsabständen zum vorausfahrenden Fahrzeug und schließlich die sog. „illegalen Autorennen“ auf öffentlichen Straßen, welche den das Nachbarauto aufreizenden Ampelstart mit Extrembeschleunigung zu einem Dauerevent erweitern und sich später in Videoportalen feiern lassen.

Der Übergang zur Straftat kann fließend sein, wenn etwa – wie mir als Gutachter einmal zugetragen wurde – eine sonst unbescholtene Autofahrerin in einem plötzlichen Angstschub die Kontrolle über das Fahrzeug verliert und in eine Menschenmenge gerät oder – was in Abwandlungen bisweilen vorkommt – ein von der Polizei observierter Motorradfahrer sich ein Fluchtmanöver leistet, bei welchem er unter Nutzung von Extremgeschwindigkeiten und zuletzt von Fahrradwegen sich und die Ordnungshüter in eine Verfolgungsjagd verwickelt. Die Beispiele ließen sich noch fortsetzen. In solchen Sonderfällen, die bereits nach gesundem Menschenverstand eine enorme Gefährdung erkennen lassen, droht die MPU, selbst wenn es formal sich noch um eine Ordnungswidrigkeit handeln sollte.

Straftaten

1. Aggressionsdelikte

Die Situation bei Straftaten unterscheidet sich von derjenigen der Ordnungswidrigkeiten dadurch, dass hier zwar ebenfalls Verstöße im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr gewürdigt werden, jedoch nicht nur diese. Sollte im Fehlverhalten des Betreffenden ein erhöhtes Aggressionspotential erkennbar sein, dann kann die Führerscheinstelle zur Klärung der Eignungszweifel eine MPU anordnen, auch wenn das Vergehen keinen direkten Bezug zum Straßenverkehr erkennen lässt. Diese Regelung beruft sich darauf, dass ein Zusammenhang zwischen Aggressionsstraftaten und Verkehrsauffälligkeiten als wissenschaftlich belegt gilt, mithin ein Bürger, der in seinem Alltag eine aggressive Persönlichkeit manifestiert, gefährdet ist, diese Neigung gleichermaßen beim Autofahren auszuleben. Beispiele, in denen die Behörden tätig wurden, sind etwa Körperverletzungen, Beleidigungen oder sexuelle Straftaten aggressiver Couleur. Ist dergestalt aggressives Fehlverhalten im Spiel, so genügt nach gefestigter Rechtsprechung bereits ein einziges Delikt, um eine medizinisch-psychologische Untersuchung auszulösen.

2. Nutzung eines Kraftfahrzeuges

Lassen Sie mich, damit auch dieser Paragraph eine gewisse Vollständigkeit besitzt, noch erwähnen, dass auch Straftaten unter Nutzung eines Kraftfahrzeuges unter das Verdikt der medizinisch-psychologischen Begutachtung fallen. Wer also ein Bank ausraubt, sich zum Zwecke eines Diebstahls oder eines Drogentransportes oder – um ein ausgefalleneres Beispiel nicht schuldig zu bleiben – der illegalen Einschleusung von Ausländern eines Autos bedient, darf sich auf ein Tête-à-tête mit dem Gutachter einer anerkannten Untersuchungsstelle freuen. Der Gesetzgeber begründet diesen Schritt mit dem Handlungsbedarf, der in dem gestörten Regelverständnis des Täters erkennbar sei.

3. Ihre Optionen

Wenn ich abschließend der Frage kurz Raum gebe, wie Sie sich im strafrechtlichen Fall am besten verhalten sollen, so kann ich das oben Gesagte bestätigen. Es lohnt sich immer, frühzeitig einen Verkehrspsychologen aufzusuchen, ja: wenn die Verhandlung noch ansteht, einen Anwalt, so dass beide sie in Ihrer Rehabilitationsbemühung unterstützen können. Der Verkehrspsychologe kann mit Ihnen das Erlebte analysieren, er kann Ihr Verständnis auch der seelischen Beweggründe durch eine Verkehrstherapie verbessern und Ihnen bzw. dem Anwalt damit bereits für die Gerichtsverhandlung bessere Karten in die Hände spielen. Sollten Sie, falls grundlegendere Fehlentwicklungen privater oder beruflicher Natur vorliegen, zusätzlich psychotherapeutisch an sich arbeiten wollen, wäre hierfür ebenfalls noch Zeit. Auch konkrete Umstellungen im Zeitmanagement oder in der Handhabung von Stress können sich etablieren. Diese konstruktiven Veränderungen können Sie dann bei der Führerscheinstelle vorbringen, denn es ist nicht auszuschließen, dass in Ihrem Fall noch ein gewisser Ermessensspielraum besteht. Es mag sein, dass Ihr Vergehen dem Sachbearbeiter noch die Wahl lässt, aufgrund Ihres besonderen Engagements und Ihrer ehrlichen Selbstkritik auf eine MPU zu verzichten. Sollten Sie jedoch einer Begutachtung bedürfen, dann wird Ihnen dieses Engagement helfen, den Test mit guter Erfolgswahrscheinlichkeit zu bestehen.

4. Resümee

Fassen wir zusammen: Je gravierender Ihr Verstoß, vor allem wenn er im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr geschieht, desto wahrscheinlicher ist die Anordnung einer MPU. Je nachhaltiger Ihre Veränderung, Ihr positives Bemühen, Ihre Selbstkritik, desto größer ist die Chance, dass im Grenzfall eine MPU-Anordnung unterbleibt. Und je früher Sie mit einem Verkehrspsychologen Kontakt aufnehmen, desto eher gewinnen Sie persönlich Klarheit und Sicherheit. Desto größer sind auch Ihre Chancen auf ein positives Gutachten, selbst wenn Sie doch eine MPU benötigen.

Zusammenfassung

Neben allgemeinen, klaren und unantastbaren Richtlinien einer MPU-Anordnung, vor denen Sie auch ein Anwalt nicht bewahren kann, gibt es doch Grenzfälle, welche der Behörde unterschiedliche Entscheidungsspielräume für die Anordnung einer MPU belassen. Nutzen Sie selber in jedem Fall die Möglichkeit, sich frühzeitig eingehend zu beraten, damit Sie die in Ihrem Fall optimale Entscheidungsvariante konkretisieren. Suchen Sie einen Verkehrspsychologen auf und konsultieren Sie in bestimmten Fällen gerne auch einen Anwalt. Beide können Kontakt mit der Führerscheinstelle aufnehmen und vorab eruieren, wie sich Ihr Fall gestaltet. Wenn Sie bald schon das Richtige unternehmen, entlastende Evidenz sammeln und optimal kooperieren, kann – falls Ihre Situation noch eine Ermessenstoleranz gestattet – eine MPU-Anordnung unterbleiben oder die Behörde ist berechtigt, Ihr Engagement dahingehend zu verwerten, dass man Ihnen zusätzliche Zeit einräumt. Sollte dies nicht sein bzw. eine Begutachtung unvermeidbar, dann können Sie Ihre Erfolgswahrscheinlichkeit bei derselben erheblich erhöhen. Denn der seriöse Verkehrspsychologe wird gemeinsam mit Ihnen einen Weg erarbeiten, der zum Ziel führt. Er wird Kontakt mit der Führerscheinstelle aufnehmen, gegebenenfalls auch mit MPU-Instituten und so die für Sie richtige Strategie finden.

Ich persönlich biete Ihnen eine solche Unterstützung. Sollten Sie verkehrsrechtlich aufgefallen sein und vor der bangen Frage stehen, ob eine MPU in Ihrem Fall erforderlich ist oder nicht, dann rufen Sie mich einfach an. Vielfach lässt sich die Frage bereits am Telefon klären oder Sie werden selbst, wenn Sie diese Webpräsenz studieren, die Antwort erhalten. Oft ist es aber am besten, wenn Sie eine Sprechstunde buchen, dort Ihre gesamten Unterlagen mitbringen, damit ich in Ruhe den Fall studieren und Sie beraten kann. Diese Sitzung ist immer eine lohnende Investition, denn Sie gibt Ihnen Sicherheit und zeigt Ihnen die richtigen weiteren Schritte auf. Sie hilft Ihnen, aus Ihrer Situation das Bestmögliche herauszuholen, für sich und Ihren Führerschein.

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